Industriepropaganda unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Objektivität


Am 13. Juli präsentiert das World Food System Center an der ETH Zürich den Dokumentarfilm Food Evolution von Scott Hamilton Kennedy mit anschliessender Podiumsdiskussion zum Film und zum Thema moderne Landwirtschaft. Der Film verspricht den Hype und die Emotionen von der Wissenschaft und den Daten zu trennen und dem Publikum zu helfen seine eigenen Schlussfolgerungen zum Thema Gentechnik zu ziehen. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich Food Evolution als Propaganda für die Agrochemie-Industrie. Im Folgenden werden wir einige problematische Punkte des Films aufdecken.

  • Zweifel an der Unabhängigkeit des Films von der Agrochemie- und Nahrungsmittelindustrie

Der Film wurde 2014 geplant und durch das „Food Technologists Institute“ (IFT) finanziert (1). Die damalige Präsidentin des IFT, Janet Collins, ist ehemalige DuPont und Monsanto Führungskraft. Das IFT wird zudem teilweise durch grosse Nahrungsmittelkonzerne & Handelskonzerne, darunter Coca-Cola, Kraft Heinz, General Mills oder Cargill, finanziert (2). Ein Bericht der Huffington Post verweist ausserdem auf eine mögliche Involvierung Monsantos (3).

  •  Glyphosat-Debatte wird einseitig beleuchtet

Über 80% von allen angebauten gentechnisch veränderten Kulturpflanzen sind tolerant gegenüber dem Herbizid Glyphosat. 2015 hat die Krebsforschungsgruppe (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft (4, 5). Im Sommer 2017, hat der US Bundestaat Kalifornien Glyphosat als krebserregende Chemikalie aufgeführt (6). Gleichzeitig beschuldigen in den USA zahlreiche Kläger Monsanto’s Herbizid Roundup (dessen Haputbestandteil ist Glyphosat) habe bei Ihnen oder ihren Familienangehörigen zur Entwicklung der Krebsart Non-Hodgkin-Lymphom geführt (7). Doch davon wird in Food Evolution nichts erwähnt. Stattdessen zeigt der Film Monsanto’s Vizepräsident Robb Fraley, der die Sicherheit des Monsanto-Herbizids beteuert und alle Studien die auf Gesundheitsrisiken hinweisen als „Pseudowissenschaft“ abtut.

  • Doppelstandards & fehlende Transparenz

Im Film wird nicht erwähnt dass zwei Studien von Pamela Ronald, Pro-GVO Wissenschaftlerin und wichtige wissenschaftliche Quelle des Films, zurückgezogen wurden (8). Dahingegen betont der Film eindringlich dass die Studie von Gilles-Eric Séralini et al., die eine erhöhte Tumorbildung in mit GVO-Mais gefütterten Ratten fand, zurückgezogen wurde. Dass die Studie zurückgezogen wurde nachdem ein ehemaliger Monsanto-Wissenschaftler in das Redaktionskomitee des Journals aufgenommen wurde oder dass die Studie später in einem anderen Wissenschaftsjournal wiederveröffentlicht wurde, wird dabei ebenfalls nicht erwähnt.

Im Film wird gezeigt dass Alison van Eenennaam, eine der Hauptprotagonistinnen von Food Evolution, meint es könne ihren Ruf als unabhängige Wissenschaftlerin schädigen wenn sie zusammen mit einer Monsanto Führungskraft an einer Podiumsdiskussion teilnehmen würde. Dass van Eenennaam früher für Monsanto gearbeitet hat und selber einige Gentechnik-Patente besitzt, wird dabei aber nicht erwähnt (3).

  • Zitate aus dem Kontext gerissen

Marion Nestle hat mehrfach darum gebeten, dass ihr Interview aus dem Film entfernt werden solle – ohne Erfolg. Trotz der vielen Interviews die sie in ihrer bisherigen Laufbahn als Wissenschaftlerin gegeben hat, sei es eine Seltenheit, dass sie falsch zitiert- oder ein Zitat aus dem Kontext gerissen werde. Doch genau das sei hier der Fall. Der 10-Sekunden Ausschnitt aus ihrem Interview vermittelt den Eindruck sie hätte keine Bedenken gegenüber GVO-Nahrungsmitteln. Ihre Bedenken gegenüber GVOs im Allgemeinen und dem Film Food Evolution im Speziellen können in einer offiziellen Stellungnahme von Marion Nestle nachgelesen werden (9). 

  • Die Welternährungslüge

Der Film suggeriert mit emotionalen Bildern und dramatischer Spannung Afrika brauche GVOs um Probleme wie Pilzkrankheiten bei Bananen zu bekämpfen. Doch die vorgestellte GVO-Technik die den Bananen Resistenzen gegen die Pilzkrankheit verleihen soll ist momentan weder verfügbar, noch ist es sicher dass sie je im Feld funktionieren wird (3). Der mit Provitamin A angereicherte Golden Rice, der Millionen von Kindern das Leben retten soll, ist beispielsweise trotz 25 Jahren Forschung und Entwicklung noch immer nicht erhältlich geschweige denn für den Anbau und Handel zugelassen (10). Spekulative Zukunftsszenarien dürfen nicht davon ablenken dass die Gentechnik bisher Herbizidresistente Kulturpflanzen und Pflanzen die selber ein Insektizid produzieren auf den Markt gebracht hat, die als Tierfutter oder Biotreibstoffe- und nicht der Welternährung dienen. 
Zudem wird bereits heute genug Nahrung für eine Weltbevölkerung von 12-14 Milliarden produziert (11). Die Ernährung der Weltbevölkerung scheitert also nicht an einer mangelhaften Nahrungsmittelproduktion sondern an der gerechten Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel. 

  • Alternativen werden nicht aufgezeigt

Alternative, günstigere und nachhaltigere Lösungen für landwirtschaftliche Probleme werden in Food Evolution ausgeklammert. Für das Problem der Pilzerkrankungen bei Bananen gibt es beispielsweise einen alternativen Lösungsansatz der gut zu funktionieren scheint (3, 11). 

  • Kein wissenschaftlicher Konsens über die Sicherheit von GVOs

Neil de Grasse Tyson meint im Film es gäbe einen globalen Konsens über die Sicherheit von GVOs. Doch 300 unabhängige Wissenschaftler und Gelehrte unterschrieben 2015 eine Stellungnahme die diese Behauptung widerlegt (12).

pdf CSS-Kritik: Food Evolution

Quellen:

(1) IFT.:FutureFood 2050 & Food Evolution. http://www.ift.org/About-Us/Our-History/FutureFood-2050.aspx (abgerufen am 12.07.17).

(2) Feeding Tomorrow: Our Supporters. http://www.feedingtomorrow.org/content/our-programs (abgerufen am 12.07.17).

(3) Stacy Malkan: Food Evolution GMO Film Showcases Chemical Indutrsy Agenda. Huffington Post. Stand: 26.06.17. http://www.huffingtonpost.com/entry/food-evolution-gmo-film-showcases-chemical-industry_us_5942b09ce4b024b7e0df49db?ncid=engmodushpmg00000004 (abgerufen am 12.07.17).

(4) Guyton, K. Z., Loomis, D., Grosse, Y., El Ghissassi, F., Benbrahim-Tallaa, L., Guha, N., Scoccianti, C., Mattock, H., Straif, K. (2015). Carcinogenicity of tetrachlorvinphos, parathion, malathion, diazinon, and glyphosate. International Agency for Research on Cancer. Lancet Oncol. 16(5):490-1. doi: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(15)70134-8 

(5) IARC (2015). Glyphosate. IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans. Volume 112. http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf (abgerufen am 12.07.17).

(6) OEHHA: Glyphosate. https://oehha.ca.gov/proposition-65/chemicals/glyphosate (abgerufen am 12.07.17).

(7) Baum Hedlund: Plaintiffs File Motion to Consolidate Roundup Cancer Lawsuits Against Monsanto. https://www.baumhedlundlaw.com/plaintiffs-consolidate-monsanto-roundup-cancer-lawsuits/ (abgerufen am 12.07.17).

(8) Jonathan latham, Phd: Can the Scientific Reputation of Pamela Ronald, Public Face of GMOs, Be Salvaged? Independent Science News. Stand: 12.11.13. https://www.independentsciencenews.org/news/can-the-scientific-reputation-of-pamela-ronald-public-face-of-gmos-be-salvaged/ (abgerufen am 12.07.17).

(9) Marion Nestle: GMO propaganda film: Food Evolution. Food Politics. Stand: 21.06.17. http://www.foodpolitics.com/2017/06/gmo-industry-propaganda-film-food-evolution/ (abgerufen am 12.07.17).

(10) Critical Scientists Switzerland: Golden Rice. http://criticalscientists.ch/en/themes/2016-02-29-13-11-25/golden-rice (abgerufen am 12.07.17).

(11) UNCTAD (2013). Trade and Environment Review 2013 – Wake up before it is too late. Make agriculture truly sustainable now for food security in a changing climate. http://unctad.org/en/pages/PublicationWebflyer.aspx?publicationid=666  

(12) FAO: Battling a banana killer in East Africa. http://www.fao.org/news/story/en/item/7418/icode/ (abgerufen am 12.07.17).

(13) Hilbeck et al. (2015). No scientific consensus on GMO safety. Env. Sc. Europe, 27:4 https://link.springer.com/article/10.1186/s12302-014-0034-1